The War on Drugs – A Deeper Understanding (2017)

Drei Jahre nach dem epochalen „Lost in the dream“ sind die Erwartungen für die langerwartete vierte Platte extrem hoch. Aber The War on Drugs lassen nichts anbrennen und liefern einen in jeder Hinsicht adäquaten Nachfolger ab, der auch überraschende Seiten hat.

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VÖ: 25.8.2017 auf Atlantic Records
Referenzen: Bruce Springsteen, Dire Straits, Tom Petty
Stichworte: Abends / Sonne / Bier / Freunde

Es gab durchaus Grund zur Sorge, dass The War on Drugs nach dem Erfolgsalbum Lost in the dream und dem unvermeidlichen Wechsel zu einem Major Label beim Sound und vor allem der Länge der Songs Kompromisse machen müssen. Die Erleichterung war deutlich zu spüren, als jeder der vorab online veröffentlichten Songs das herkömmliche Radioformat um ein vielfaches überschritt und keineswegs auf das für die Band typische, minutenlange atmosphärische Wabern von Gitarrenechos und Synthieflächen verzichtete. Keine böse Überraschung also, und man darf Mastermind Adam Granduciel durchaus dazu gratulieren, dass er sich auch noch für die nächste Platte vertraglich die alleinige künstlerische Entscheidungsgewalt hat zusichern lassen. Nach weit über zehn Jahren mäßig erfolgreicher, aber immer mit vollem Herzen ausgeübter Tätigkeit als Rockmusiker mit sinnlosen Nebenjobs in schäbigen Bars hat er es mehr als jeder andere verdient, für ein paar Jahre anständig allein dafür bezahlt zu werden, dass er zwei Jahre im Studio Musik macht und das Ergebnis zur Veröffentlichung freigibt.

Und so ist das einzige Zugeständnis an die Welt der Major Labels, dass fünf der zehn Songs schon vor dem eigentlichen Album-Release online gestreamt werden konnten. Mir persönlich hätten drei Songs gereicht, um die nötige Vorfreude zu entwickeln und mich auf ein zusammenhängendes Hörerlebnis am Erscheinungstag zu freuen. Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau, denn Plattenverträge können bekanntlich weitaus desaströsere Auswirkungen haben. Mit dem ersten offiziellen Video Holding On stellten The War on Drugs jedenfalls klar, dass sie musikalisch noch die alten sind. Mal wieder ist der Titel Programm, die refrainartig wiederkehrende Zeile Keep keepin‘ on illustriert, worum es Adam und seinen Freunden geht: Weitermachen, zurechtkommen, sich selbst treu bleiben. Und da deutet sich auch schon an, dass nach der stellenweise desolaten Melancholie des Vorgängers nun auch versöhnlichere Klänge möglich sind.

Der optimistischere Blick auf das eigene Schicksal ist natürlich auch den veränderten Lebensumständen der Musiker geschuldet, die nach Jahrzehnten der prekären Lebensweise mit Anfang vierzig endlich mal durchatmen können. So etwas lässt sich nicht wegwischen und darf auch hörbar werden, solange es nicht in behäbige Selbstzufriedenheit ausartet. Natürlich werden einige Fans enttäuscht sein, vor allem diejenigen, die in der Band zuletzt vor allem verlässliche Freunde und Leidensgenossen in dunklen, einsamen Stunden gesehen haben.

Das Nirgendwo zwischen der klaustrophobischen Enge der Melancholie und den unendlichen Weiten des Klangs, in dem man sich zuvor verlieren konnte, löst sich auf A Deeper Understanding jedenfalls zunehmend auf. Das neue Zuhause der Band ist ein Rückzugsraum, in dem man sich durchaus wohlfühlen kann, der aber weder die Mühen seiner Erbauung noch die Spuren einer dunklen Vergangenheit verleugnet. Dementsprechend wurde die Palette an Sounds und Stimmungen nur behutsam erweitert. Dort, wo ein Saxophon, ein Glockenspiel oder ein balladeskes Vorspiel auf dem elektrischen Klavier uns beim ersten Hören noch fremdeln lässt, da ist das neue Element bei der zweiten Begegnung schon voll integriert in unsere Vorstellung dessen, was den Sound dieser Band ausmacht. Und spätestens ab dem dritten mal will man diese kleinen Schritte nicht mehr missen, ist man froh, dass es weitergeht.

Natürlich ist es fast unmöglich, nach einem epochalen Album gleich wieder für ein ähnliches Aha-Erlebnis zu sorgen. Ebenso schwierig ist es, an ein stimmungsvolles Album unmittelbar anzuknüpfen, ohne ein überflüssiges Sequel zu produzieren. The War on Drugs sind weise genug, einen unaufgeregten Mittelweg zu gehen und sich nicht von den äußeren Erwartungen beeinflussen zu lassen. Sie haben sich hingesetzt und ein Album aufgenommen, das zumindest so klingt als sei nichts gewesen. Das Ergebnis ist ein lebensfroher kleiner Bruder zu ihrem düsteren Meisterwerk und isoliert betrachtet immer noch eine fantastische Veröffentlichung, die allenfalls hinsichtlich ihrer popkulturellen Wirksamkeit hinter Lost in the dream zurückbleibt. A Deeper Understanding ist ein Album, das sehr vielen Menschen den Soundtrack zum nächsten Abschnitt ihres Lebens liefert und den Ruf von The War on Drugs als bedeutendste Rockband unserer Zeit weiter zementiert.

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